JÄÄRÄPÄÄT

Das Ä und Ö der finnischen Folkmusik
 
Zeitungsartikel
Reutlinger Nachrichten 08.03.2005

Sie sind das Ä und Ö der finnischen Folkmusik

Sie verbinden melancholischen Folk mit traditionellen Liedern: Im Café Nepomuk war das Finnen-Trio ''Jääräpäät'' zu Gast. Das Publikum gab freundlichen Beifall.

Von Jürgen Spiess

REUTLINGEN. Reisende kommen während der langen Zugfahrt zwischen Stuttgart und Helsinki immer wieder auf zwei Themen zu sprechen: die Welt der finnischen Sprache und ihre abstruse Musik. Die musikalischen Fachsimpeleien steuern häufig auf die Frage zu, ob der Tango nicht doch in Finnland geboren wurde. Beim Thema Sprachen hingegen landet man meist bei den vielen Äs, Ös und Ypsilons - und wie war das noch mit der finnischen Sprachfamilie?
Im Verdacht, fürchterlich kompliziert zu sein, steht nicht nur die Sprache, sondern gemeinhin auch die finnische Musik. Dass es auch anders geht, beweist das Folktrio "Jääräpäät" mit seinen traditionellen Volksweisen, die stets mit einem heiteren Unterton vorgetragen werden und berückend einfach klingen.

Das Duo zaubert einen warmen Soundteppich unter Laura Ryhänens klare und in ihrer Schlichtheit bestechende Stimme. Die bittersüße Sehnsucht ihrer Songs versteht jeder, auch ohne Finnisch zu sprechen. Die finnische Sängerin und ihre beiden deutschen Begleiter Bernhard Mohl an der Geige und Christian Ther am Akkordeon konzentrieren sich in dem zweistündigen Programm ganz auf die mehrere hundert Jahre alte Tradition des finnischen Volkslieds. Diese handeln von tragischer Liebe, von Seemännern, die man nicht heiraten sollte, und von Babys, die man sanft in den Schlaf wiegt. Laura Ryhänen singt mit hellem Sopran, das Akkordeon seufzt in süßer Melancholie, die Geige ist für die folkigen Ausflüge zuständig.

"Der leise Flug des Adlers aus dem Osten" heißt so ein Stück, und der Titel trifft die Stimmung des Abends hervorragend. Gut, ab und an wird man auch durch schnellere Passagen ein wenig aufgerüttelt, aber in der Regel gibt es nur wenig Dynamikkontraste, und die Stücke kommen sehr ruhig, besinnlich, melodisch daher. Was vor allem an der Spielkunst des Akkordeonisten liegt, der zwischen lässigem Begleiten und anschmiegsamen Läufen hin und her pendelt.

Wenn Laura Ryhänen die Stimme erhebt, wirkt nichts angestrengt oder aufgesetzt. Musikalisch suchen sie und ihre Begleiter stets den direkten und unspektakulären Weg. Das Trio "Jääräpäät", das übersetzt "Dickschädel" heißt, kommt ohne Showeffekte aus, bietet dafür mollverliebte Melodien mit Gefühl für die sanfte Tonart.

"Naimisiinko?" - "Soll man heiraten?", singt die Sängerin mit schelmischem Lächeln zum Abschluss. Und wieder einmal fragt man sich, ob das nun im Ernst oder ironisch gemeint war.

KREIS-ANZEIGER WETTERAUKREIS 21.06.2005

Alte Weisen und ein unaussprechliches Gericht

Die Reihe "Europa zu Gast in Bad Salzhausen" wurde mit einem Finnland-Abend im Parksaal fortgesetzt

BAD SALZHAUSEN (em). Wieder einmal war "Europa zu Gast in Bad Salzhausen". Im Parksaal lud man diesmal zur musikalisch-kulinarischen Begegnung mit dem hohen Norden, mit Finnland ein. Gekommen war das Trio "Jääräpäat" mit Sängerin Laura Ryhänen, Bernhard Mohl (Geige) und Christian Ther (Akkordeon/Gitarre). Abgesehen von den Kompositionen von Jan Sibelius ist finnische Musik in Deutschland kaum bekannt.

So war überraschenderweise im Pausengespräch zu hören, dass der Tango in Finnland äußerst beliebt ist und es populäre Komponisten und Interpreten dieses Tanzes gibt. Das Trio "Jääräpäät" aber hat finnische Volksmusik in seinem Repertoire. Alte Weisen, die neu arrangiert werden. Auch hier wurden die Zuhörer überrascht. Es kam kein Dauerprogramm nordischer Düsternis, sondern ein reizvoller Motiv- und Themenbogen von Tänzerisch-Heiterem bis zu Lyrisch-Melancholischem. Finnen hätten ein lustvoll-ungebrochenes Verhältnis zu ihrer Volksmusik, war zu hören. Volkslieder würden häufig gesungen. Es gäbe in Helsinki ein großes Volksmusik-Archiv mit einem 5,5-Millionen-Aufzeichnungen-Bestand. Bekannte finnische Rock- oder Punkgruppen verwendeten Folklore-Motive, die sie ihrer Stilrichtung entsprechend umwandelten. Bei uns wäre es nur schwer vorstellbar, "Ade zur guten Nacht" oder die "Schöne junge Lilofee" in einer Punk-Interpretation wiederzufinden. Deutsche hätten einen Teil Unbefangenheit gegenüber ihren Volksliedern im Nationalsozialismus verloren, meinte Bernhard Mohl - auch die schönsten Melodien und Texte seien gnadenlos in die Blut-und-Boden-Schublade gepresst worden.

Mit einem Wiegenlied aus der Kalewala-Sammlung begann Laura Ryhänen. 1835 hatte der Arzt Elias Lönnrot, mit den Brüdern Grimm vergleichbar, mündlich weitergegebene Sagen und Lieder aufgezeichnet und so das finnische Nationalepos geschaffen. Fast sprechgesangartig lag die Stimme der Sängerin über einem gleichbleibenden Ton der Geige und des Akkordeons, ehe sich die Melodie in schwingendem wiegenden Rhythmus entfaltete. "Im Sommer beim Schaukeln" - ein weiteres rhythmisch-akzentuiertes zärtlich-ironisches Lied folgte. Die Liebe ist vorbei, es bleiben nur die beschwingten Erinnerungen und ein sehr greifbares Überbleibsel, ein Baby ... . Laura Ryhänen hat nicht nur eine tragende cantable Sopranstimme, sondern auch Schauspieltalent. Sie vermag die balladesken Lieder ausdrucksstark zu interpretieren und schon mit den ersten Takten den Bogen zum Publikum zu schlagen. "Minun kultani" - augenzwinkernd trug sie das Liebeslied von der so attraktiven Braut mit den Zwei-Meter-Füßen und dem Schielblick vor, das unter dem Titel "Ja, mein Schatz ist wunderschön" auch in deutsche Schulliederbücher Eingang gefunden hat. Bernhard Mehl übertrug den bewegten Refrain in reizvolle Geigenschnörkel.

"O Himmel blau und weiß" - sehnsüchtige Naturbilder und die Assoziation an die finnische Flagge prägen ein Heimwehlied. Fast choralartig spielten Mohl und Ther die Melodie, streuten zum Schluss ein paar schmerzliche Dissonanzen ein. Nuancierter als von uns gewohnt erklangen Märsche aus der finnischen Volksmusik. Mohl begann mit einem Geigen-Solo, ein dunkler Tonhintergrund des Akkordeons baute sich auf, bis die beiden Instrumente ihre Stimmen gegenseitig imitierten und variierten. Wiegenlieder seien eine finnische Spezialität, meinte Laura Ryhänen und trug das fast balladeske Lied einer Mutter vor, die ihren kleinen schlafenden Sohn schon als Seemann in den Stürmen der weiten Welt sieht. Sehr reizvoll unterstrichen gezupfte Geigen-Akkorde, getragene Akkordeonklänge die ausdrucksvolle Singstimme, die sich in einem zärtlich-gewissen Schluss löst: "Noch bist du klein, noch bist du bei mir ..." Ther wechselte vom Akkordeon zur Gitarre und die Sängerin trug in hoher Stimmlage das schwedischsprachige Kinderlied der Rabenmutter vor, die sich überlegt, wohin sie im Winter ziehen soll: nach Dänemark, nach Süden ... . In einem hüpfenden Vierertakt war das Lied arrangiert, die Geigenstimme trug lautmalerisches Vogelgeschwirr vor und beim Refrain fielen auch die beiden Instrumentalisten singend ein.

Nicht ohne Spannung erwarteten die Zuhörer die Pause, den kulinarischen Teil. Würden sie mit Elch- und Bärenfleisch herausgefordert? Die Sorgen waren unnötig. Es gab großzügig bunte Salatplatten und das Nudelgericht Lihamakaronilaatikko, lecker gewürzt und mit dem pikant-säuerlichen Einschlag, der in der finnischen Küche beliebt zu sein scheint.

"Fräulein Frühling", sehnsuchtsvoll-beschwingt und mit zwitschernden Geigentrillern unterstrichen, wurde nach der Pause das mitreißende Programm fortgesetzt. Die Zuhörer fanden Gefallen an den ungewöhnlichen Tönen. Sie gaben sich erst nach zwei Zugaben zufrieden.

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